Felicitas von Lutzau
Surface
"S U R F A C E"
Oktober 2014
135 cm x 90 cm // 90 cm x 60 cm
C-Print auf AluDibond
1920 x 1080 px HD Video, Flatscreen
Auflage 3 + 2AP
Marc Ries : Einige Anmerkungen zum Licht und seiner
Fotografie mit Blick auf die Arbeit »surface« von
Felicitas von Lutzau
Als das künstliche Licht im 19. Jahrhundert in einem Akt prometheischer Unverfrorenheit einiger Ingenieure »wurde«, fand es seine Bestimmung in der nun- mehr von Menschen entschiedenen Setzung dessen, wann und welche Dinge für wen zu sehen sind. Vorab einzelnes zur Zeitlichkeit und zur Sichtbarkeit. Künstliches Licht wird dann gebraucht, wenn das andere, natürliche Licht, ausbleibt. Und so leuchten denn überall mit Einbruch der Dunkelheit die Räume hell auf. Nächtlichen Konditionen des quasi von der Natur überlieferten Sehverbots unterwirft sich dieses Licht nicht.
Es triumphiert angesichts aller von ihm ermöglichten Erscheinungen, die das Leben in eine unbegrenzte Wachheit, auch Alertheit fortsetzen. Doch sieht sich dieses Licht auch in Verwendung, um auf die eigene Kraft aufmerksam zu machen, oder, aufmerksam zu machen auf die stets irritierende Erfahrung, dass es nie das Licht selber ist, das man sieht.
Langzeitbelichtung. Der Begriff, wie vieler seiner technischen Verwandten, bleibt nüchtern. Das Subjekt ist der Apparat. Die Handhabe seiner Regeln legt fest, inner- halb welcher – langen – Zeitdauer ein foto-, also lichtsensibles Medium seiner Belich- tung ausgesetzt ist. Was dieser Vorgang für das Motiv, wie für seinen fotografischen Ausdruck selber bedeutet, wird verschwiegen.
Doch zugleich lange wird ja auch die Szene vor der Kamera belichtet. Offensichtlich muss das Licht ja irgendwo herkommen, mit dem der Film reagiert. Doch von welchem Licht ist die Rede? Es ist die selbstbestimmte, oftmals streng horizontal ausgerich- tete, also widernatürliche Setzung einer starken Leuchtquelle, die für die Arbeit- wesse von Felicitas von Lutzau Geltung beansprucht. Ihr wird gestattet, lange auf
die Objekte einzuwirken, und in der Folge den Film zu belichten. In diesem Prozess der Aufnahme von Licht in einer langen Dauer – also von viel Licht – werden all jene Dinge, die ansonsten allzu flüchtig, klein und instabil sind, um für uns wahrnehmbar zu sein, gleichfalls belichtet, werden also vordem unscheinbare Dinge (Fliegen, Ne- bel) für den Träger konkret. Zugleich wird das Licht in dieser langzeitigen Aufnahme sich selber Ding. Wird als Licht sichtbar. Jedoch nur in seiner Verbundenheit mit den ansonsten unsichtbaren Dingen, feinstofflichen Molekülen, bewegten Objekten.
Das Licht schießt hervor. Und die Kamera nimmt sich der Zeit des Voran der Lichtbe- wegung an. Sie zeichnet sie in ihrem Werden auf, also, und paradox, in ihrem Ding- Werden. Eine »leuchtende Spur«, die stets auch die Spur eines Objekts und – in einer surrealen Allianz – die Spur des Lichts selber ist, das dieses Objekt anstrahlt.
Diese vermeintlich Spur maskiert jedoch eher das Licht, als dass sie es als ein solches wahrnehmbar macht. Die unendlich vielen Reaktionen mit der Materie dazwischen lässt das Licht wie eine geisterhafte Selbsterscheinung auftreten. In einer dieserart gewollten Fotografie sehen wir zweimal das Gleiche, jedoch in verschiedener »Gewandung«. Einmal sehen wir die vordem unsichtbaren Dinge, zum anderen sehen wir an den Dingen das stets und immer unsichtbare Licht, also, das die Dinge ermöglichende. In dieser ihrer planvollen Inszenierung ist diese Fotografie eine magische Technik Sie stellt das von ihre provozierte Ereignis – all das Sicht- und Unsichtbare –in magischer Geschlossenheit vor uns aus.
Also: Wenn wir in der Realwelt die Dinge nur deswegen als Dinge wahrnehmen, weil sie im Lichte stehen, vom Lichte eine Setzung als Erscheinung erfahren, dieses Licht aber selbst nicht zu sehen ist, so vermag eine bestimmte Fotografie mit jenen Momenten zu spielen, wo wir glauben, das Licht als es selber zu sehen.
Doch dieses gelingt nur, weil die Materie, die das Licht sichtbar macht, wiederum für unser Sehen per se unsichtbar ist und also dies Stoffliche hinter dem nur scheinbar puren Licht verschwindet, obwohl es als, das Licht allererst ermöglichende anzuerkennen ist.
Licht, so sagt uns die Fotografie in einzelnen Bildern von Felicitas von Lutzau, ist unabdingbar – als condition sine qua non aller Fotografie – kontingente Referenz. Es ist stets hartes, also von Dingen ermöglichtes Licht. Und also auch versammelndes Licht. Doch wer tritt in seine Gunst? Dazu anderenorts.
Die »magische Geschlossenheit« verdankt dieser Text dem Buch von Helmut Lethen, Der Schatten des Fotografen. Bilder und ihre Wirklichkeit. Berlin 2014
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